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In Witten-Annen soll ein Bildungsquartier entstehen, das finde erstmal alle ganz gut, aber dafür soll ein kleines Wäldchen weichen und dagegen regt sich Protest. Es ist eine Petition im Internet gestartet worden und im Park die Generation habe ich die Initiatorin dieser Petition Leona Bergmann getroffen und gefragt, wovor sie den Wald bewahren möchte?
Bergmann: Ja, die Stadt Witten plant ein Bildungsquartier hier in Witten-Annen zubauen. Wir sind der Meinung, dass in Zeiten, in denen die ganze Welt über Klimaschutz redet, es mehr als fraglich ist, ein solches Projekt umzusetzen. Fakt ist, dass die Baedekerschule eine Sanierung braucht. Die Frage ist jetzt, ob es nötig ist dafür bestehende Strukturen abzureißen, anstatt diese zu erneuern.
Sie möchten, dass die Baedekerschule bleibt und stattdessen das Quartier nicht gebaut wird?
Bergmann: Ja, damit wir uns nicht falsch verstehen. Die Idee eines Bildungszentrums finden wir an sich nicht schlecht. Die Frage ist nur, warum müssen dafür diese Bäume weichen? Warum kann man nicht an Ort und Stelle das Bildungszentrum erbauen?
Ich habe nachgelesen, dass ein Viertel der Fläche von Witten-Annen bewaldet ist. Warum halten Sie gerade diesen Wald für erhaltenswert?
Bergmann: Letztendlich, wenn man von außen den Wald anguckt, ist der nicht besonders groß und im Vergleich zu vielen anderen Wäldern natürlich nicht. Wir sind aber mal durchgegangen und haben die Bäume gezählt, waren schon verwundert, wie viele Bäume da doch stehen. Wir haben gezählt über 120 größere Bäume mit einem Umfang von über 40 cm. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass jeder Baum schützenswert ist. Wenn sie in der letzten Zeit mal durch den Wald gelaufen sind, haben Sie vielleicht bemerkt, dass es unseren Wäldern überhaupt nicht gut geht. Da hat natürlich der Borkenkäfer seinen Einfluss drauf, aber auch die Klimakrise, also die warmen und trockenen Sommer. Deshalb müssen wir uns um jeden einzelnen Baum kümmern.
Auf Facebook wurde erstmal gefragt, wo befindet sich denn dieser Wald. Beschreibt Sie doch mal die Lage.
Bergmann: Der Wald befindet sich in Annen, in der Nähe vom Bahnhof, hinter dem Hallenbad, am Park der Generationen.
Wer sind eigentlich diese Leute, die sich jetzt dafür einsetzen?
Bergmann: Wir sind Anwohner, die hier direkt an dem Waldstück wohnen. Unser primäres Ziel war erstmal die Nachbarn zu informieren, denn das hat bis jetzt nicht stattgefunden, d.h. wir haben erst mal Zettel verteilt und Informationen, was hier überhaupt stattfinden soll.
Ihre Petition richten Sie an den Bürgermeister Lars König. Er ist nur einer von 65 Mitgliedern im Rat. Ist er der richtige Empfänger?
Bergmann: Das ist die Frage. Letztendlich steht Lars König für die Stadt Witten und deswegen haben wir uns entschieden die Petition an ihn zu adressieren. Letztendlich denke ich auch, dass er diese Petition an die richtigen Menschen weiterleiten könnte.
Frau Bergmann überhören Sie nicht den Wert dieses Wäldchens?
Bergmann: Natürlich hat auch dieses Waldstückchen, wie viele Grünflächen in vielen Städten, das Problem, dass Müll darin liegt. Das wäre auch eine Idee vielleicht eine größere Müllsammelaktion zu starten, um der Stadt zu zeigen, dass der Wald uns wichtig ist. Letztendlich sind es trotzdem Bäume, die schützenswert sind und natürlich ist es auch ein Rückzugsort für viele Tiere. Ich kann Ihnen sagen, wenn man morgens aufsteht und auf dem Balkon sieht man ein paar Eichhörnchen rumhüpfen oder guckt aus dem Fenster und sieht Dompfaffen (Gimpel), Eichelhäher, Spechte rumfliegen, das ist sehr schön. Ein Anwohner z.B. hat mir auch geschrieben, dass er morgens im Park der Generation mal zwei kleine Füchse gesehen hat, die da rumgetollt sind. Das Ganze wird nicht mehr existieren, wenn das Bildungszentrum hinkommt.
Also der Park der Generation wird erhalten bleiben.
Bergmann: Natürlich, aber Füchse leben nicht auf dem Park, sondern Füchse leben im Unterholz eines kleinen Waldstücks und deshalb wird man sie auch nicht mehr im Park der Generation zu Gesicht bekommen.
Ein Bebauungsplanverfahren wird noch stattfinden, dann wird jeder Bürger beteiligt, kann dann auch sagen, er ist damit nicht einverstanden. Ist ihr Protest nicht verfrüht?
Bergmann: Letztendlich denke ich das nicht, weil es erst mal darum ging Informationen zu verbreiten, weil ich mitbekommen habe, dass viele Bürger überhaupt nichts davon wussten. Jetzt können sich die Menschen Gedanken darüber machen und wenn es dann zu dieser Abstimmung, dieser Befragung kommt, dann kann jeder seine eigene Meinung dazu äußern.
Leona Bergmann, warum engagieren sich persönlich dafür? Was war der Auslöser, dass sie gesagt haben, da mache ich mit.
Bergmann: Ich glaube, es liegt daran, dass meine Eltern früher immer erzählt haben, dass sie auf Demos waren und ihre Meinung vertreten haben. Ich habe mich immer aufgeregt, dass meine Generation so lasch ist und irgendwie gar keine Meinung vertritt. Aber das hat sich verändert in den letzten Jahren. Klimawandel ist in aller Munde und dafür sind Menschen wie Greta Thunberg, die Fridays-for-Future-Bewegung oder Gruppierungen wie „Ende Gelände“ verantwortlich. Ich finde diese Menschen super faszinierend. Es ist das eine mit den Menschen zu sympathisieren, aber es ist etwas ganz anderes selbst etwas zu machen. Genau jetzt haben wir die Möglichkeit etwas selbst zu schaffen und zwar direkt vor unserer Haustür.
Über dieses Bauvorhaben wird hier fünf Jahre schon in Witten gesprochen. Hätten sie nicht früher reagieren können, müssen?
Bergmann: Also ich muss sagen, dass ich erst vor kurzem hierhingezogen bin. Ich habe das mitbekommen. Ich glaub‘ letztendlich für mich war so der Knackpunkt, dass ich im Dannenröder Wald von ein paar Wochen war und da gesehen habe, wie Menschen da leben – ein Jahr lang – um für den Wald zu kämpfen. Dann habe ich gesehen, dass hier schon Schneisen im Wald geschlagen wurden und das hat mir die Augen geöffnet, dass ich gesagt habe, so möchte ich das nicht. Ich möchte das verhindern.
Aber den Baum, an die man sich jetzt festketten könnte oder auf dem man wohnen könnte, sich ein Baumhaus bauen könnte, sehe ich hier erst mal nicht.
Bergmann: Wir haben da schon unsere Augen ein bisschen schweifen lassen und hätten dann paar Bäume. Letztendlich hoffe ich nicht, dass das nötig ist, denn das ist natürlich mit einem sehr großen Aufwand verbunden. Ich kenne viele Menschen, die einem da bestimmt unterstützen würden, sei’s „Ende Gelände“ die man akquirieren könnte. Das ist alles was, wenn in Zukunft kommt.
Die Petition läuft ja noch. Wie viele Stimmen brauchen Sie?
Bergmann: So viele wie möglich. Wir haben uns kein Ziel gesetzt. Wir sind einfach glücklich, dass jetzt schon so viel Anklang gefunden wurde, dass wir Kommentare bekommen haben, die uns darin unterstützen, dass es richtig ist, was wir machen. Wir werden einfach mal gucken, wie viele Unterschriften dazukommen und dann werden wir dem Herrn König die Petition, die Unterschriften überreichen und unser Anliegen vortragen.
Die Stadt Witten ist der Empfänger der Petition, deshalb sprachen wir auch mit dem Stadtsprecher Jörg Schäfer. So eine Petition ist ja für die Stadt Witten eigentlich nichts Neues, sie bekommt glaube ich mehrere Petitionen im Jahr?
Schäfer: Das kommt immer wieder mal vor. Also mehrere im Jahr würde ich gar nicht sagen, aber es kommt immer wieder mal vor.
Es geht jetzt um das Bildungsquartier in Witten-Annen. Dort soll eine Schule, eine Sporthalle entstehen und dafür müssen paar Bäume weichen. Herr Schäfer, was ist denn da konkret geplant?
Schäfer: Es ist ein Gesamtprojekt, was wir dort planen. Das wird der neue Standort für die Baedekerschule werden. Dann wird eine Halle für den Breitensport damit integriert werden und es soll an sich auch ein Treffpunkt für Vereine, für Bürgerinnen und Bürger, die da auf verschiedene Arten zusammenkommen.
Dafür muss aber nicht der gesamte Wald weichen, die einen nennen es Müllkippe, die anderen sagen das ist unser Urwald, dafür gibt es eine Petition jetzt im Internet aber es geht nicht um den ganzen Wald?
Schäfer: Nein, nach den aktuellen Planungen wird ein Teil abgeholzt, ein Teil stehen bleiben.
Jetzt ist die Petition an Lars König gerichtet, so eine Petition muss an den Rat gerichtet werden, denn dieser entscheidet darüber. Wenn so eine Petition gestartet wird, wird es von der Stadt Witten wahrgenommen, wenn diese irgendwann mal bei der Stadt Witten ankommt und wird das irgendwie auch diskutiert?
Schäfer: Das wird aber natürlich wahrgenommen. Das wird durchaus diskutiert. Die Themen die da angesprochen sind, die Sorgen der Bürger die da angesprochen werden, werden wahrgenommen und gerade in den beteiligten Ämtern miteinbezogen in die Überlegungen.
Aber noch sind wir gar nicht so weit. Ich habe gehört, da wird erstmal etwas vermessen und das sind ein paar Sträucher entfernt worden. Was ist jetzt so der Stand der Planung? Können Sie dazu schon was sagen?
Schäfer: Genau, da sind sie ja schon gut informiert. Die Vermessungsarbeiten sind inzwischen weitgehend abgeschlossen. Wir haben auch Bodenproben genommen. Das ist natürlich wichtig für so ein großes Bauprojekt, dass da klar ist, wie stabil der Boden ist.
So Proben nimmt man auch für ein Umweltgutachten?
Schäfer: Hier geht es sehr viel um die Tragfähigkeit des Bodens, wie stabil ist der Untergrund da. Welcher Untergrund ist da für so ein großes Gebäude. Dann das Thema Versickerungsfähigkeit, also das Thema wie gut kann das Wasser versickern in dem Bereich. Wir müssen auch schauen ob es da eventuell Altlasten gibt. Diese Themen werden da betrachtet.
Bis die Bagger anrollen, gibt es da überhaupt einen Termin oder ist das wirklich in weiter Ferne?
Schäfer: Bis dahin sind noch einige Schritte zu gehen. Das ist ganz klar. Es gibt bisher noch kein Bebauungsplan. Der muss überhaupt noch aufgestellt werden. Was Angesicht der Petition eigentlich für uns noch eine wichtige Botschaft ist, es wird noch eine Öffentlichkeitsbeteiligung zu dem Projekt Bildungsquartier Annen geben. Der Bebauungsplan muss noch aufgestellt werden, der existiert noch nicht und dafür ist eine Bürgerbeteiligung vorgeschrieben und die werden wir durchführen.
Also ich habe gehört, dass zweimal Bürgerbeteiligung geben muss, eine frühere und eine spätere.
Schäfer: Es ist meines Wissens tatsächlich zwei.
Sagt uns Jörg Schäfer, Sprecher der Stadt Witten. Vielen Dank für das Interview.