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Bernhard Laß, Sie sind Fotograf, ihre Ausstellung ist in der Erlöserkirche in Witten zu sehen, die geht noch bis 20. November, wir gehen jetzt hier einmal so herum und gucken uns die Bilder an und sind an einem Bild stehen geblieben, da gibt es drei Frauen, die unterhalten sich über ihre Einkäufe und einen Hund, der Hund spielt keine Rolle dabei glaube ich.
Laß: Der Hund spielt überhaupt keine Rolle. Die Frauen spielen eine Rolle. Und das ist in dem Sinne auch keine Dreiergruppe, sondern es ist eine Zweiergruppe und eine einzelne Frau. Die zwei Frauen die zusammenstehen, die haben eine schöne große Einkaufstüte in der Hand und die eine hält diese Einkaufstüte offen und die andere schaut hinein. Und es sieht so aus, als hätte sie gerade ein super Schnäppchen gemacht, also eine Beute erlegt, könnte man sagen, denn für mich ist auf diesem Bild etwas archetypisches zu sehen, es ist vielleicht etwas gefährlich das so einfach auf uns Menschen zu [üb]ertragen aber ich würde mal versuchen so aus dem Tierreich so ein Bild dazu zu machen. Also die Frau hat etwas erledigt, eine Beute gemacht, ein super Schnäppchen geschlagen. Kommt jetzt raus und weil sie den Rang natürlich in ihrer Gruppe zeigen will, zeigt sie ihre Beute einer anderen Frau und sie steht da und staunt und bewundert sie und sagt:
„wow, wie hast du das geschafft und das war bestimmt super billig“.
Und das hört eine andere Frau, die kurz danebensteht und ist erschrocken und schaut sich um und schaut ganz missmutig auf diese beiden, vielleicht sogar ein wenig entsetzt und denkt, wieso hab‘ ich das nicht gesehen, wieso habe ich diese Schnäppchen nicht machen können. Und sie wird etwas sauer vielleicht sogar innerlich, weniger auf die beiden, als auf sich selber, weil sie es nicht geschafft hat diese Beute zu machen.
Jetzt sind es zwei Frauen, und die Dritte die dazu guckt. Es ist eine typische Situation für Frauen oder gibt es bei Männern auch? Gibt es bei Ihnen auch?
Laß: Also ich würde mal ganz vorsichtig vermuten, dass wir Männer und Frauen da etwas unterschiedlich sind. Es gibt ja sozusagen immer dieses Vorurteil „Männer sind Einkaufsmutter“, aber ich glaube das dieses Grundverhalten bei den Geschlechtern ungefähr gleich verteilt ist. Man kann sowohl bei Männern auch die Sammlerin – sozusagen – entdecken und bei Frauen den Jäger. Also das ist denke ich etwas was nicht typisch nur Frau oder nur Mann ausmacht, wobei ich glaube, wenn zum Shoppen geht unterscheiden wir uns noch ein wenig, aber die letzten Jahre, gerade wenn man auf die Kosmetik Industrie guckt, hat sich das Bild zwischen Männern und Frauen ja sehr verschoben. Früher war das ‚typisch Frau‘, ‚typisch Mann‘ – besser gesagt gar nicht Mann. Auch heute in Prospekten kann man sehen, dass die ersten Seiten nicht mehr nur für Frauen in der Mode reserviert sind, sondern auch mal Männer auf den ersten Seiten erscheinen, also verschiebt sich sehr stark was. Die Konsumindustrie versucht alle zu erreichen, um ihren Konsum auszuweiten und da ist auch der Mann stärker im Fokus.
Ich hätte jetzt so gedacht beim Fahrrad, beim Grill oder beim Auto oder bei IT wären die Männer noch genauso dran oder nur nicht mit dem Blick auf die Straße weil die Sachen kauft man dann nicht in der Fußgängerzone.
Laß: Deswegen sag ich es, ich würde mich grundsätzlich sagen, dass sich das zwischen Männern und Frauen aber wenn so um das Modeshoppen geht, dann glaube ich, kann man schon noch ein bisschen Unterschiede sehen. Bei IT und Autos da würde ich sagen, da gibt es eher genau ein umgekehrtes Verhalten. Und gerade wenn es ums Auto, wir haben letzte Zeit viel über Poser-Szene im Fernsehen und Radio und in der Berichterstattung, da ist das natürlich ein ganz starkes gehabe, aber es noch stärker ein in Machogehabe. Ich glaube hier kommt man stärker neben der Jägerin die Sammlerin, bei dem anderen wirklich der Hirsch – der Platz Hirsch.
Sagt Bernhard Laß, er kommt aus Iserlohn, ganz genau wie heißt nochmal ihr Stadtteil.
Laß: Das ist der Roden in Iserlohn.
Und in Rohde wohnen ungefähr 1.500 Menschen in 300 Häusern, habe ich gelesen und da gibt es eine Christuskirche, waren Sie da jemals tätig?
Laß: Ich bin dieser Gemeinde zuordnet als Pfarrer, ich bin da aber nicht Gemeindepfarrer. Ich mache da z.B. jetzt am Sonntag ein Taufgottesdienst und andere Gottesdienste und ich bin der Pressebeauftragter unserer Kirchengemeinde. Also an verschiedenen Stellen bin ich in unserer Kirchengemeinde auch aktiv, wie ich in anderen Lebensbereichen unserer Stadt auch sehr aktiv bin.
Gerade waren wir noch in Waldshut an der Schweizer Grenze, jetzt sind wir in Paris gelandet und tatsächlich sind wir nur 2 – 3 Schritte weiter gegangen in der Erlöserkirche in Witten mit Bernhard Laß und wir stehen vor einem Bild, da schläft jemand auf einer Bank. Würden Sie die Person erst mal beschreiben?
Laß: Ich würde sagen, wenn es in Paris geht, ist es ein Clochard – wir würden vielleicht sagen Penner – etwas abfällig. Ein Mensch der wahrscheinlich wohnungslos ist und sich hier in der U-Bahn-Station – in der Metro in Paris – aufwärmt, ausschläft. Auf jeden Fall ein Mensch der an dem, was wir so als gesellschaftliches Leben bezeichnen würden nicht das ist Anteilhabe hat, was wir eigentlich jeden Menschen wünschen.
Das krasse Gegenteil ist die Dame die auf diesem Plakat daneben ist beziehungsweise dahinter, denn es ist ja so ein typisches Modeplakat, wo jemand sehr photoshopt ist und sehr schön herausgestylt.
Laß: Ich würde sagen zarte Haut gibt es kaum irgendwo.
Die ist doch nicht echt, das Photoshop.
Laß: Ja, Ja, deswegen, weil es Photoshop ist. Es sind einige Präsente von dieser Dame auf dem Plakat aufgebaut die lassen auch sehr teure Geschenke schließen. Die Dame sieht auch so aus, als wenn sie auf jeden Fall ein sehr teures Leben führen kann. Ganz im Gegensatz zu dem Mann, der dort auf der Bank sitzt. Ein wirklich krasser Gegensatz, auf der einen Seite wird uns das Schönste, die Erfüllung aller Sehnsüchte im Leben prophezeit – über das Plakat – und nicht ein Meter daneben spielt ein reales Leben statt, das von alledem was auf dem Plakat zu sehen ist nie etwas haben wird.
Ja Moment, aber wir wissen ja nicht ob die Dame die auf diesem Plakat ist, ihr etwas von diesem Leben was sie da verkörpert auch haben kann, dann einige Models verdient tatsächlich viel Geld anderen nicht so viel und hängen irgendwo in Hotels rum und warten auf den nächsten Auftritt.
Laß: Das ist aber nicht das was wir da sehen. Uns wird hier etwas suggeriert und das ist ja der Sinn der Werbung, dass uns immer etwas gegeben wird, das nicht vorhanden ist, aber dass wenn glauben es zu haben etwas bekommen, was uns schöner, größer, reicher vielleicht begehrenswert macht als wäre sonst im Alltag oft sind. Mode verkauft einem immer für eine kurze Zeit etwas ganz Neues, das einen schicker feiner macht, aber immer nur für eine kurze Zeit und für ein Illusion.
Wer mehr kauft – spart mehr“, steht auf einem Bild das Pfarrer Bernhard Laß irgendwo fotografiert hat, in irgendeinem Schaufenster?
Laß: Es geht auf diesen Fotos darum, dass ich deutlich machen möchte, dass immer mehr religiöse Inhalte auch in die Werbung, also in den Konsum einwandern. Die den Konsum sozusagen das Kaufen, das Shoppen zu einer Religion macht. Wenn man mal guckt, früher hätte man gesagt, beim Einkaufen man geht um darum Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn ich junge Leute heute – ich habe lange in der Schule gearbeitet als Religionslehrer – wenn ich die gefragt habe nach Hobbys, dann haben sie gesagt u.a. gesagt Shoppen. Das heißt es geht nicht mehr darum Bedarf zu decken, soll es geht darum eine Zeit zu füllen, in dem man durch Geschäft läuft und einfach gucken was es so an Angeboten gibt eventuell auch was kauft. Aber grundsätzlich eigentlich eine Leere zu fühlen.
Ja aber wenn mehr kauft, spart mehr. Wer nichts kauft, spart mehr, weil er gar nicht ausgibt.
Laß: Das ist die Perversion der Begrifflichkeit, die wir heute haben. Hier wird oft einem suggeriert man würde sparen, aber in Wirklichkeit geht es darum, wer spart halt an Geld Summe etwas an, wer aber ein Schnäppchen macht und ein günstiges Angebot kauft, gibt weniger aus. Aber er hat hinterher nicht mehr, sondern weniger in seinem Portmonee und das ist die Umkehrung des Ganzen. Aber es wird einem immer über die Werbung suggeriert, wer mehr kauft spart mehr.
Ich nehme Sie 2 – 3 Schritte mit, kommen Sie mal, wir machen jetzt ganz große Schritte, gehen weiter und sind hier von einem Herrn. Da, da gucken Sie, den denken Sie, der heißt Luther.
Laß: Martin Luther, Doktor Martin Luther, ja.
Wow! Der hat mit einer Praxis in der Kirche aufhören wollen, die Ablass hieß, d.h. ich komme in den Himmel, wenn ich mehr bezahle. Ist diese Perversion in den Geschäften, in dem Verhalten von uns, dass wir immer mehr kaufen, um uns glücklich zu fühlen, nicht genau dasselbe? Also eine Suche nach dem Heil, irgendwann mal entweder nach dem Ableben oder jetzt schon?
Laß: Man kann wirklich sagen, shoppen gehen ist heute oder besitzt in einer bestimmten Form modernen Ablasshandel. Das sieht man zum Beispiel daran:
„Du sollst von süßen Versuchungen kosten und nicht widerstehen“.
Früher hätte man gesagt, die Kraft, die der Menschen entwickeln kann, ist doch den Versuchungen zu widerstehen und jemand der wiederstehen kann, ist ein selbstbewusster starker Mensch. Heute wird gesagt, du bist ein selbstbewusster starker Mensch, wenn Du dich der Verführung hingibst. Und das ist genau diese Umkehrung, die gerade wo im Grunde genommen die Inhalte die Gesellschaft gerade auch im Zusammenhalt prägen, aus dem Umgang, die Werte, die wir haben, Treue, Vernunft, Verantwortung, Freiheit, die gerade da umgedreht werden.
Aber ich versteht es mit dem Ablasshandel nicht. Also, hat nicht die Kirche die Menschen gelehrt, dass sie glücklicher sein werden, wenn sie mehr bezahlen? Also wenn sie mehr Ablass bezahlen, kommen sie ja in den Himmel. Und heute lehrt uns die Werbung, wenn wir mehr konsumieren, werden wir glücklicher. Ich sehe da eine Parallele.
Laß: Da besteht auch eine Parallele, nur der Unterschied ist, nur der Unterschied ist, hier wird auf diesseitige Leben und es gibt hier so zu sagen die Vorstellung, du musst in deinem Leben alles erfüllen, was du nur irgendwie erfüllen kann, denn mit dem Tod ist aus. Du musst jetzt deine Chance nutzen, wenn du dich jetzt nicht nutzt, dann ist es zu Ende und willst du dir jemals vorwerfen deine Chance nicht genutzt zu haben? Der Ablasshandel sollte mich ein Leben im Jenseits schön machen, aber das ist auch die Perversion der christlichen Kirchen gewesen. Der Ablasshandel nimmt uns ja die Gnade weg, d.h. ich kann mich nicht freikaufen, sondern ich kann höchstens so leben wie Jesus und Gott es von uns erwartet und muss aber immer damit rechnen oder darauf hoffen und mir ist es zugesagt, dass ich die Chance habe in diese Gnade zu kommen so, dass mir dein ewiges Leben möglich wird bei Gott. Und der Ablasshandel hat mir immer gesagt, ich kann mir das erkaufen und heute die Werbung sagt im Grunde genommen, du musst das aber nicht auf das jenseits projizieren, sondern du musst dir das in diesem Leben jetzt sofort erfüllen, denn wenn du deine Chance jetzt nicht nutzen wirst du sie nie wieder bekommen, und nur, dann wenn du jetzt viel kaufst, dann hast du die Erfüllung aller deiner Sehnsüchte.
Aber die Werte auf die sie mit dieser Ausstellung aufmerksam machen wollen, sind Werte die man sich nicht kaufen kann. Also ich kann mir keine Freundschaft kaufen, weil das keine echte Freundschaft ist. Und jetzt werde ich hier wieder weitergeführt.
Laß: Ohne Zitat geht das nicht, weil das macht sehr deutlich was eigentlich los ist. Ich lese etwas aus einem Prospekt
„Hallo neues T-Shirt in meinem Kleiderschrank, du bist mir so lieb und schon seit Jahren treu. Ich spüre deine Nähe auf der Haut so muss Freundschaft sein. Ja das ist Freude pur!“
Aus einem Prospekt
Laß: Ich glaube, wenn man sich das klarmacht, was da an Werten auf Waren übertragen wird, wie das Wahre auf die Ware übertragen wird und pervertiert wird, dann wird einem schnell bewusst hier werden Werte verkauft, die aber nur in zwischenmenschlichen Beziehungen existieren. Und die werden auf tote Materie übertragen und ich soll das Gefühl haben, ich kann mir diese Erfüllung kaufen. Ich kann sie mir anziehen. Ich kann sie mir überstreifen, aber ich bin genauso leer und einsam, wenn ich die nicht in der zwischenmenschlichen Beziehung bekomme, wie vorher.
Meistens geht hier dieses Gefühl, ich hab was Gutes für mich getan, nur soweit das ich das ausgepackt habe, wieder zu Hause und in den Schrank hängen dann ist es schon vorbei.
Laß: Wir wissen ja aus der neueren Forschung, wieviel Tonnen Kleider jedes Jahr in die Altkleidersammlung gehen. Es sie sind zig Millionen. Wir wissen aber auch aus dem, was dann gezeigt werden kann, dass einiges an verpackter Ware oder auch mit Preisschild versehener Ware, also gekaufte Ware die nie benutzt worden ist, sofort wieder in die Altkleidersammlung wandert. Da wird genau das deutlich, was sie gerade gesagt haben, der Kauf an sich, also das haben müssen, dieser Zwang, der ja inzwischen bei vielen auch schon entstanden ist, der wird erfüllt, aber die Erfüllung ist keine Erfüllung, sondern es ist ein Rausch, der für einen Moment an Kick gibt und dann bricht alles zusammen und die Leere ist wieder da.
Pfarrer Bernhard Laß aus Iserlohn fotografiert nicht nur Häuserfronten, große Fensterscheiben, Werbung in der Stadt. Er fotografiert auch Menschen. Menschen, die es nicht gibt, wie Annedore Lankmann aus Hagen. Sie ist an Krebs gestorben. Warum war es ihm wichtig die Dame zu fotografieren?
Laß: An einem Geschäft in Dortmund steht unten auf der Schaufensterscheibe: „Life is to short to shop later“ – „Das Leben ist zu kurz um später zu kaufen.“ Und ich hab schon gesagt, ich hab viele Bilder mit „letzte Tage“. Und ich hab mich irgendwann mal gefragt, wie ist das denn, wenn man wirklich letzte Tage erlebt und hab überlegt, ich möchte gerne mit Menschen sprechen, die ernsthaft ihre letzten Tage erleben und habe unterschiedliche Hospiz besucht. Da gibt es viele Menschen die nicht mehr sprechen können oder auch gar nicht sprechen wollen, aber ich hab‘ auch Menschen gefunden die mit mir über ihre ernsthaft letzten Tage sprechen konnten und wollten und ich durfte die sogar porträtieren und habe davon drei mit in diese Ausstellung hinein genommen, weil mir diese Konfrontation wichtig war, zu schauen, wie ist das mit dieser Oberflächlichkeit, die wir in unserem Leben was Mode und shoppen anbelangt haben und wie ist das für Menschen die ihre letzten Tage erleben, wenn die mit dieser Situation konfrontiert sind, mit ihrem Tod, aber auch mit Ihrem Leben. Und habe festgestellt, dass Menschen, wenn ich sie mit dem – was ich vorher gemacht habe – mit den „letzten Tagen“ mit den Werbefotos konfrontiere und mit ihm darüber rede, dass sie plötzlich ganz eindrückliche Dinge erzählen. Dass Sie schon sagen,
„ja früher war das Aussehen für mich auch wichtig“,
dass ich nach Möglichkeit schmerzfrei, geborgen Zuwendung bekomme, dass ich spüre, ich hab auch noch eine Würde, obwohl ich eigentlich für diese Gesellschaft gar nichts mehr tun kann, sondern in Anführungsstrichen „Nur noch Ballast bin“. Aber mir ist ganz wichtig dabei zu sehen, „ich bin ein Mensch“ – und ich werde von den Menschen im Hospiz so betrachtet und begleitet und aufgehoben im doppelten Sinne, auf der wirklich auch körperlich, dass ich mich nicht schämen muss für meine Hinfälligkeit. Und dabei spielt bei einigen – die ich besucht habe – eben auch der Glaube eine ganz wichtige Rolle. Da ist nämlich dann plötzlich nicht der Cut, der mir sonst, Du musst sonst shoppen, sonst hast Du sonst hast du in deinem Leben alles verpasst, sondern da ist die Hoffnung darauf dass dieses Leben in einem Übergang in ein anderes Leben besitzt und das Leben nicht mit dem Tod endet.
Sagte Bernhard Laß, Pfarrer aus Iserlohn – im Ruhestand – seine Bilder hängen in der Erlöserkirche in Witten.
Wolfgang Schneider ist Presbyter in der Erlöserkirche in Witten-Annen. Warum war es Ihnen wichtig diese Ausstellung in ihrer Kirche zu holen.
Schneider: Also ich finde das Thema Leben und Sterben gehört natürlich zur Kirche dazu und passt auch wunderschön hier in unsere neue Erlöserkirche, die war ausdrücklich für Ausstellung auch umgebaut haben, dass die eben nicht nur sonntags genutzt wird, sondern auch unter der Woche.
Aber es gibt am Dienstag am Donnerstag und am Samstag hier noch Veranstaltungen. Was ist denn ihre Veranstaltung, zu der sie unbedingt hin einladen würden, weil hinkommen werden Sie sowieso zu allen.
Schneider: Natürlich, ich denke die Schreibwerkstatt wird besonders spannend werden, weil da die Leute eingeladen werden, sich selbst Gedanken zu machen, was ist mir im Leben wichtig.
Die Schreibwerkstatt geht vier Stunden, am Samstag kostet 20,- €. Katharina Arnoldi und Katja Reibstein werden die Schreibwerkstatt hier begleiten. Warum finden Sie die Schreibwerkstatt wichtig?
Schneider: Weil jeder persönlich sozusagen mal ins nachdenken kommt und sich dann durch kreative Schreiben klar werden kann was ihm wichtig ist. Das natürlich in einem geschützten Raum d.h. es kann öffentlich werden, aber jeder kann das selber bestimmen.
Gibt’s ein Bild das ich beeindruckt hat?
Schneider: Mich beeindrucken besonders die Portraits von den Menschen aus dem Hospiz und dass die das genehmigt haben, dass es auch veröffentlicht werden kann. Das natürlich gerade im Kontrast zu diesen Bildern, die Werbung uns vorgaukelt.
Und wenn Sie Lust haben sich die Ausstellung anzuschauen, wann kann ich hier noch mal in die Kirche hinein?
Schneider: Immer zu der Veranstaltung – vorher und nachher – ist sie offen, bei den Gottesdiensten. Ansonsten kann man sich bei mir telefonisch anmelden und ich versuche dann den Termin möglich zu machen.
Weitere Information zur Ausstellung finde sie auf der Homepage der Evangelischen Erwachsenenbildung unter eeb-en.de
Pfarrer Bernhard Laß, sie haben allgemeine Elektrotechnik studiert, das würde ich mit fotografieren nicht verbinden, das Hobby zum Fotografieren, das kam erst mal bisschen später, 1982 haben sich den ersten Fotoapparat gekauft und haben angefangen zu fotografieren. Wie kam es dazu?
Laß: Also mir ist aufgefallen, ich bin ein Augen Mensch. Ich erfasse ganz schnell mit den Augen Dinge, auch wenn ich lerne, weiß ich es steht auf der Seite so und so viel links oben und kann mir über meinen Blick ganz viele Dinge merken und sauge die förmlich auf. Und ich entdecke immer wieder Dinge, die sind mir wichtig und dann denke ich, die möchte ich gerne konservieren, die möchte ich festhalten. Das kann man natürlich in seinem Kopf und im Herzen, aber es ist natürlich für mich wichtig gewesen sie auch zu dokumentieren. Und da habe ich mir einen halt ´ne Spiegelreflexkamera gekauft und ich wusste nicht so richtig, wie man sie bedient, aber ich hab mich dann langsam eingearbeitet, eingelesen und vor allem ganz praktisch damit gearbeitet und gemerkt das ist ein wunderbares Mittel Dinge zu dokumentieren.
Und dann kam 2004 Digitaltechnik, hat das ihre Fotografie für revolutioniert haben sie dann mehr fotografiert?
Laß: Also ich glaube kaum einer, der eine Digitalkamera in die Hand bekommen hat, wird sagen er hat weniger fotografiert oder gleich viel. Natürlich fotografiert man mit einer Digitalkamera viel mehr. Das hat schon einfach den Hintergrund man kann löschen und vervielfältigen, beziehungsweise so viele Fotos machen wie man möchte. Es kostet nicht mehr. Und man hat viel mehr Möglichkeiten damit auch zu arbeiten. Ich bin von meiner Grundhaltung ein Mensch der sagt, das Foto muss das Foto sein. Ich bin nicht einer der Fotos groß bearbeitet, ich erlaube mir schon mal einen Ausschnitt daraus zu wählen, also nur einen Teil des Fotos zu nutzen. Aber die grundsätzliche Überarbeitung von elektronischen Bildern ist nicht so mein Ding. Ich möchte gerne, dass das was ich fotografiere auch das Bild ist, dass ich zeige.
Hat sich die Motiv Auswahl geändert dadurch, dass sie mehr fotografieren können?
Laß: Ich bin einer der eigentlich von einem Thema her oft denkt. Ich laufe durch die Welt und ich merke da ist etwas virulent, was mich beschäftigt. Und dann fange ich an zu gucken, wie kann ich das in Motiven umsetzen? Und dann fotografiere ich. Ich würde auch sagen, was sicherlich etwas das gucken verändert, früher hat man immer durch das Viereck gekuckt und dieses Viereck schärft den Blick. Ich glaube, dass das ganz wichtig war, dass ich vorher nicht eine Digitalkamera hatte, sondern immer durch dieses Viereck gucken musste, weil das fokussiert einen noch mal ganz anders. Und heute, wenn man über diese Bildfläche guckt, dann hat man natürlich einen anderen Blick, man kuckt anders in die Welt, aber das alte fokussiert Auge ist einfach immer noch da.
Jetzt stellt sich mir die Frage, wie viel Zeit zum Fotografieren haben Sie, denn wenn ich auf diesen Zettel hier gucke, den ich vorbereitet habe und wo sie jetzt auch schon so bisschen reingespickt haben, wenn ich mir angucke was sie alles machen. Sie sind in Dritte-Welt-Laden unterwegs, Mitbegründer von „fairPla.net“, Sie haben Eine-Welt-Kiosk in ihrer Kirchengemeinde in der Christus Kirche in Roden initiiert, da gibt es auch zum Beispiel „Agenda 2000“ waren sie ja beteiligt und im Friedensplenum und organisiert die „Faire Woche“ in Iserlohn. Woher nehmen Sie denn die Zeit dafür, weil da sind so viele Tätigkeiten, einige sind immer nur kurz im Jahr, einige die das ganze Jahr über. Woher nehmen Sie denn die Zeit dafür?
Laß: Wenn man unterwegs ist, egal wozu das kannst du irgendeinen Termin sein, eine Sitzung oder zur Weltladenöffnungszeit, wenn ich im Weltladen bin. Dann habe ich eigentlich immer einen Fotoapparat mit. Wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin, dann muss ich sagen ist sie schon manchmal etwas, dass sie sagt, es gibt ja noch andere Dinge im Leben als zu fotografieren – ist jetzt etwas übertrieben. Aber ich bin eigentlich fast immer nicht zum Fotografieren unterwegs, sondern mit dem Fotoapparat unterwegs. Und wenn ich dann etwas entdecke fotografiere ich das.
Jetzt wohnt sie in Roden, da gibt’s 300 Häuser, 1.500 Einwohner. Sagen die Nachbarn, oh da kommt schon wieder der Pfarrer Laß mit seinem Fotoapparat?
Laß: Ich glaube nicht. Ich bin bei uns in der Kirchengemeinde der, der ganz offiziell als Pressebeauftragter der Kirchengemeinde auch fotografiert d.h. wenn ich komme wird fast erwartet, dass ich fotografiere. Und so im Alltag auf diesem kurzen Strecken, zwischen unseren Häusern da fotografiere ich eigentlich wenig, sondern ich fotografiere da wo es für mich spannend, interessant wird.
Friedensbildung
Als ehemaliger Zivildienstleistender wusste ich gar nicht, dass die Bundeswehr in die Schulen geht und versucht die Leute anzuwerben – daran ist erst mal nichts Verwerfliches. Aber es fehlte vor Jahren so ein Gegenpol, der gesagt, man kann den Frieden nicht nur mit Waffen schaffen, sondern auch z.B. mit Gesprächen, mit Hilfe und da ist die evangelische Kirche eingetreten und hat gesagt da müssen wir was machen – im Rahmen des Religionsunterrichtes. Pfarrer Bernhard Laß hat dieses Programm mitentwickelt. Wie ist es dazugekommen, dass sie erst mal in Iserlohn und dann in Schwerte Villigst an diesem Programm mitgearbeitet haben und Lehrer unterrichtet haben?
Laß: Die rheinische und die westfälische Landeskirche haben ein Papier zur Friedenssicherung und zum Frieden in Deutschland entwickelt und dabei auch festgestellt beziehungsweise festgelegt, dass es eine Verstärkung der Friedensbildung an den Schulen geben sollte. Dazu braucht man aber Menschen, die von Friendsbildung erstens Ahnung haben und auch bereit sind und auch ausgestattet sind eben weiter gebildet sind um Friendsbildung in die Schule hinein zu tragen. Die Bundeswehr hat große Mittel, um mit Jugendoffizier in die Stunde zu gehen. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht macht sie das auch verstärkt, damit sie wieder Menschen findet, die zur Bundeswehr gehen. Aber es ist wichtig dem einen Gegenpol gegenüber zu stellen und zu gucken, wie kann ich denn mit friedlichen Mitteln, eine Sicherheitspolitik aufbauen, die nicht auf Abschreckung, sondern darauf ausgerichtet ist, Menschen zu gleichwertigen Partner zu machen, um Konflikte zu bewältigen und zu gucken wie kann man diese Konfliktparteien einen Tisch kriegen. Da gibt es größere Institutionenorganisationen in der Bundesrepublik, wie zum Beispiel den zivilen Friedensdienst.
Und wir haben dann geworden, dass wir Lehrer_In aber auch andere Menschen die meistens in sozialen Bereichen arbeiten, gewinnen können, um eine Langzeit Fortbildung zu machen in dem wir in uns mit den Fragen von Peace Keeping, von Peace Making auseinandergesetzt haben, mit den Grundlagen unseres Grundgesetzes, wie ist die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt und welche Chancen und welche Möglichkeiten haben wir mit zivilen friedlichen Mitteln Konflikt beizulegen und Menschen darüber aufzuklären, dass das überhaupt möglich ist, und auch ganz praktische Beispiele aufzuzeigen wo das auch gelungen ist. Das ist ja immer sehr wichtig. Die meisten denken immer das geht doch nicht. Aber es gibt praktische Beispiele auf dieser Erde, wo man aufzeigen kann, dass das möglich ist.
Findet das im Rahmen des Konfessionsunterricht statt? Und was passiert, dann mit den Kindern und Jugendlichen die überhaupt keine Konfession angehören? Kriegen die dann diese Alternative nicht vorgestellt?
Laß: Grundsätzlich ist es nicht notwendig, dass das im Religionsunterricht stattfindet. Das kann natürlich auch im Politik Unterricht stattfindet. Es werden von vielen Schuljahr Bundeswehr Menschen eingeladen, die dann in die Schule kommen. Und das ist genauso gut möglich, da gibt es auch eine gesetzliche Grundlage zu Menschen die Friedensbildung machen in die Schule einzuladen. Das kann im Grunde genommen jeder Lehrer, das kann auch der Mathematik Lehrer sein der das macht. Jeder Lehrer der Schule hat die Möglichkeit jemanden einzuladen und den im Unterricht dann eben zu der Frage der Friedensbildung – ja – einen Raum zu schaffen, um sich mit den Schülern_innen darüber auseinander zu setzen und ein Bildungsprogramm durchzuführen.
Und wenn ich so einen Lehrer, so ein Dozenten suche, wo muss ich mich dann melden? An wen wende ich mich?
Laß: Das einfachste ist, ich rufe im pädagogischen Institut in Villigst an – Schwerte Villigst – und dort sitzt die Ursula August, die ist zuständig für diesen Bereich des Friedensbildung. Die kann ich direkt ansprechen und fragen oder ich gehe auf die Internetseite des Pädagogischen Institut ist und dort finde ich überhaupt Links z.B. über „Friedensbildung“ eine Liste, wo die Referent_Innen für Friedensbildung gelistet sind nach Regionen und kann die dann eventuell auch direkt ansprechen.
Eine Stunde lang waren wir in der Erlöserkirche in Witten-Annen zu Gast, haben mit Pfarrer Bernhard Laß uns seine Ausstellung angeguckt, die noch bis 20. November hier in der Kirche zu sehen ist. Ich gib ihn jetzt noch mal 30 Sekunden die Menschen zu überzeugen sich diese Ausstellung auch tatsächlich anzuschauen. Warum sollen die Menschen hier hinkommen – Bernhard Laß?
Laß: Ich bin mir ganz sicher, wenn man sich die Bilder angeguckt, entdeckt man natürlich ganz viel auf den Bildern aber man entdeckt in erster Linie immer sich selbst und das ist ja spannend einfach sich mit den Bildern zu konfrontieren, sich den gegenüber zu stellen und dann zu gucken, ach das kenne ich doch. Bin ich auch so? Mache ich das auch so? Oder das habe ich ja noch nie so gesehen? Warum übersehe ich das immer? Plötzlich so wirklich Dinge zu sehen, die man im Alltag, wenn man durch eine Fußgängerzone läuft auch sieht, aber nicht wahrnimmt und dann sich selber damit zu konfrontieren, auseinander zu setzen und zu schauen was passiert da wohl mit mir, wenn ich das nicht wahrnehmen aber trotzdem in mich hineinkommt? Und hier kann ich mal darüber reflektieren und das ist einfach toll, weil man sich plötzlich ganz anders kennen lernt. Und das andere ist, die Frage wirklich zu stellen, was ist mir wichtig in meinem Leben? Sind es diese materiellen Dinge, ist es nur diese verblendete Schönheit oder die die Erfüllung die mir der verkauft werden soll? Gibt es Dinge, die mir in der zwischenmenschlichen Beziehung wirklich wichtig sind und wie gehe ich die jetzt an, wenn ich mich von dem einen Stück gelöst habe? Die wieder in den Fokus zu setzen, ich glaube das ist etwas was sie an mir gelingen kann, ohne dass man sich dafür gleich irgendwie rechtfertigen muss oder sich selber Schuld Zuweisung oder irgendwas geben muss. Sondern weil es einfach Spaß macht, sich dem neu zustellen und hinterher raus zu gehen und sagen ja das packe ich jetzt an.
Ich glaube, ich könnte mit Bernhard Laß noch stundenlang reden, aber er ist zum Beispiel am 20. November wieder hier in Witten und wird bei der Finissage anwesend sein. Es gibt aber auch noch weitere Veranstaltung hier in der Erlöserkirche während dieser Ausstellung, die damit zusammenhängen. Zum Beispiel die Vorstellung des stationären Hospizdienstes in Witten oder wie überbringe ich schlechte Nachrichten, wie geht’s den Leuten damit und eine Kreativwerkstatt – weitere Informationen dazu finden Sie auf der Homepage der Evangelischen Erwachsenenbildung unter eeb-en.de, dort können sie das ganze Programm nachlesen und Bernhard Laß guckt schon so auf seine Uhr denn er hat ja hier noch viel zu tun vielen Dank für das Interview.
Laß: Gerne immer wieder gerne.
Und wir grüßen die Menschen in Iserlohn, die sind bestimmt alle kennen, weil sie dort bekannter sind, als hier in Witten. Kommen Sie auch mal nach Witten, gucken Sie sich diese besondere Kirche an, denn die ist renoviert, ganz modern und wenn Sie uns im Ennepe-Ruhr-Kreis hören, dann kennen sie natürlich diesen Ort, aber kommst du trotzdem vorbei, Ihnen einen schönen Abend, mach Sie es gut und bis bald!